Geschichte des Kvarken

Wegen der Landhebung ist das Schärengebiet des Kvarken verhältnismäßig jung. Zu Beginn unserer Zeitrechnung lag vom heute sichtbaren Gelände nicht viel über der Wasseroberfläche. Aus diesem Grund macht man in den Schären und auf dem Festland nur wenige Funde, die auf prähistorische Zeit zurückgehen. Funde aus historischer Zeit gibt es allerdings reichlich. Diese stammen von den frühen Gewerben - vor allem von der Fischerei und der Robbenjagd - aber auch aus Kriegszeiten.

Wann das Kvarken erstmals dauerhaft besiedelt wurde, ist nicht bekannt. Schriftliche Zeugnisse belegen, dass es hier seit Anfang des 15. Jahrhunderts permanente Siedlungen gibt. Wahrscheinlich machten sich aber schon viel früher Menschen in der Region ansässig.

Fischerei und Robbenjagd waren bis Ende des 18. Jahrhunderts die wichtigsten Gewerbe. An der Robbenjagd im Winter war die Mehrzahl der männlichen Bevölkerung beteiligt. Eine Jagdreise konnte mehrere Monate dauern. Die Robben wurden in Eisspalten gejagt. War ein Winter so streng, dass es keine Eisspalten gab und der Eisrand sehr weit südlich lag, blieb die Robbenjagd aus. Tran, Robbenfell und Fische waren die wichtigsten Export- und Tauschwaren. Dem Fischfang wurde in allen Gewässern nachgegangen - im Meer ebenso wie im kleinsten Bach. Da die Fischer sich weit von der heimischen Siedlung entfernten, mussten sie sich während der Fischtouren vorübergehend auf einer Insel niederlassen. Anfänglich bauten sie sich Windschutze aus Steinen, die sie zum Beispiel mit einem Segel bedeckten. Reste solcher Vorrichtungen wurden auf vielen Inseln gefunden. Im 17. Jahrhundert wurden die ersten gezimmerten Fischerhäuschen gebaut.

Foto: Anders Enetjärn
Die Überreste einer Scheune im Wald zeugen von der Zeit, in der das Einbringen von Heu Voraussetzung für ein sicheres Leben war.

Landwirtschaft wurde kleinräumig betrieben. Man konzentrierte sich auf die Viehzucht - der karge Boden und das Klima schränkten den Ackerbau ein. Alles, was als Futtermittel taugte, wurde verwertet. Durch intensive Beweidung und Mähen entstand eine offene Landschaft, die nichts mit dem zu tun hat, was wir heute in den inneren Schären sehen können. Auch die äußeren Schären sind nicht von Menschenhand unbeeinflusst geblieben. Die Leuchtturm- und Lotsenfamilien und auch die Fischer in den Fischerdörfchen hielten oft eine Kuh oder ein Schaf, weshalb es an den Küsten ebenfalls Weiden und Mähwiesen gab.

Sowohl im Sommer als auch im Winter bewegten sich die Menschen zwischen Inseln und Festland über das Kvarken. Jahrhundertelang tauschte man Fische gegen Getreide. Im 17. Jahrhundert war der Verkehr besonders lebhaft und man transportierte sowohl Menschen als auch Waren über das Kvarken. Oft konnten die Schärenbewohner, die das Gewässer gut kannten, als Fahrer oder Lotsen tätig sein. Im 17. Jahrhundert wuchs auch die Bedeutung des Schiffbaus und der Teerbrennerei. Um diese Gewerbe betreiben zu können, wurden die Kiefernwälder geerntet. Dies begünstigte die Fichte, die heute die dominierende Baumart in der Region ist. Im Schärengebiet wurde kaum Teer gebrannt, da es dort nicht so viel Wald gab.

Die Kriegsjahre zwischen 1714 und 1721 hinterließen in den Schären bis heute sichtbare Spuren. Die bekanntesten Überreste sind die so genannten Russenöfen, die wohl zum Backen von Brot, zum Kochen und zum Heizen gebaut wurden. Da die meisten Küstendörfer niedergebrannt und geplündert wurden, gibt es nur wenige Gebäude oder Gegenstände, die aus der Vorkriegszeit stammen.

In der Nachkriegszeit flossen die meisten Ressourcen in den Wiederaufbau. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Bestimmungen für Handel und Schiffbau verändert, und die Seefahrt gewann an Bedeutung. Diese Entwicklung wurde von Österbotten geleitet. In jener Zeit erfuhr auch die Landwirtschaft auf dem Festland große Veränderungen: War man früher sowohl Bauer als auch Fischer, spezialisierte man sich nun entweder auf die Landwirtschaft oder auf die Fischerei. In den Schären vollzog sich diese Entwicklung langsamer, dort wurden die beiden Gewerbe noch bis Ende des 19. Jahrhunderts parallel betrieben.

Im 19. Jahrhundert stieg der Lebensstandart, die Bevölkerung wuchs und neue Nebenbeschäftigungen wie Salpetersiederei, Eisenproduktion und Glasherstellung gewannen an Bedeutung. Das Interesse für die Naturwissenschaften nahm zu und man begann, das vermeintlich "verschwindende Meerwasser" zu bestaunen. Um zu ermitteln, wie schnell das Wasser "verschwand", schlug man Markierungen in die Klippen an der Küste. Die ältesten Marken sind auf Rönnskär (1697) und Ratan (1749) zu finden.

Über das Eis des Kvarken wurden viele mehr oder weniger spektakuläre Märsche unternommen. Im Krieg von 1808 bis 1809 zogen russische Truppen unter der Führung von General Barclay de Tolly über das Kvarken, um Umeå einzunehmen. Es war sehr kalt und die Eisverhältnisse waren schwierig, weshalb viele Pferde und Hunderte von Soldaten den Marsch nicht überlebten. Der General teilte später mit, dass man den Weg über das Kvarken nicht markieren müsse. "Ich habe dies mit den Leichen meiner Soldaten getan", sagte Barclay de Tolly.

Der erste "Leuchtturm" im westlichen Kvarken wurde 1760 auf der Insel Holmögadd errichtet. Es handelte sich um eine Konstruktion, bei der ein Korb mit brennenden Kohlen an einer Stange aufgehängt wurde. Im östlichen Kvarken war bereits 1668 ein solches Leuchtfeuer aufgerichtet worden. Im Jahr 1848 begann der erste Leuchtturm auf der finnischen Seite des Kvarken den Schiffen auf dem Meer den Weg zu weisen: der Turm auf der Insel Norrskär. Etwa 40 Jahre später baute man auf der Inselgruppe Valsörarna einen Leuchtturm. In den 1960er Jahren, als man anfing, die Leuchttürme zu automatisieren und die Lotsenplätze zu größeren Einheiten zusammenzulegen, begann eine neue Epoche. Im östlichen Kvarken verließ 1986 der letzte Wärter seinen Arbeitsplatz im Leuchtturm von Norrskär. Der Steinleuchtturm von Holmögadd im westlichen Kvarken war bis zur Pensionierung des letzten Wärters im Jahr 2005 bemannt. Lotsenstationen gibt es heute nur noch in Umeå und Vaasa.

Kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten sich die Verkehrsverbindungen so, dass Vasa und andere Städte von Österbotten ihre zentrale Bedeutung für die Seefahrt verloren. Zur gleichen Zeit nahm auch der bis dahin lebhafte Verkehr über das Kvarken ab. Dies beruhte zum Teil auf den milderen Wintern, aber auch auf der größer werdenden Kapazität der Schiffe.

Im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg gab es organisierten Menschenschmuggel über das Kvarken. Viele junge Finnen reisten illegal über das Kvarken: Zur Vorbereitung auf den Kampf um die Unabhängigkeit von Russland ließen sie sich in Deutschland in der Kriegskunst ausbilden. Mit dem Prohibitionsgesetz aus dem Jahr 1919 begann eine andere Schmuggelwelle: Neben Spirituosen gehörten Kaffee, Kakao, Gewürze, Zinn und Gummi zu den begehrtesten Schwarzmarktwaren.

Im Winter 1939/40 verlief zwischen Vasa und Umeå motorisierter Verkehr. Der Winterkrieg hatte begonnen, und in Finnland herrschte Mangel an Dingen des täglichen Bedarfs. Der Weg war 2 Monate lang offen, und während dieser Zeit wurden ungefähr 2 000 Fuhren über das Kvarken transportiert; zunächst handelte es sich um Kleider und Lebensmittel, später um Kriegsmaterial. Obwohl die Fahrten oft strapaziös waren, kam nur ein LKW-Fahrer ums Leben, als sein Gefährt unterging. Auf dem Rückweg wurde vor allem Zellstoff transportiert. Seit 1947 gibt es mehr oder weniger regelmäßigen Personenverkehr über das Kvarken. Im Jahr 1958 wurde die erste Autofähre in Betrieb genommen.

Das 20. Jahrhundert brachte mit der Motorisierung und der Verwendung von synthetischen Materialien bei der Ausrüstung große Veränderungen für die Fischerei. Auch die Entwicklung der Freizeitindustrie hatte Auswirkungen: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der Nähe der Städte vereinzelt Sommerhäuschen gebaut; seit den 1960er Jahren haben die Bautätigkeiten dort explosionsartig zugenommen. In den äußeren Schären konnten die Naturschutzinteressen allerdings besser durchgesetzt werden, weshalb sich dort der Einfluss der Freizeitindustrie nur lokal bemerkbar macht.



Texte: Anders Enetjärn, Lise-Lotte Molander
Übersetzung: Stefanie Busam Golay, Stilren
Layout & Illustrationen: Päivi Anttila
Webdesign: Fredrik Smeds, Freddi Com Oy Ab
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